Deutscher Klimaschützer organisiert Gas aus Nigeria
Erstmals will Deutschland auf direktem Wege Erdgas aus Nigeria beziehen. Eingefädelt hat dieses Import-Geschäft Frank Otto. Das Kuriose: Der Hamburger Unternehmer engagiert sich seit Jahren für globalen Klimaschutz.
Von Alexa Höber und Inge Altemeier, NDR
"Es ist alles ein Witz", so kommentiert Nnimmo Bassey aus Nigeria, was in seinem Land vor sich geht. 2010 erhielt er den alternativen Nobelpreis, weil er die Kosten der Ölförderung für die Menschheit aufgrund der zu erwartenden Umweltfolgen ermittelt hatte. Jetzt beobachtet er, wie in Nigeria zusätzlich zu den bestehenden Ölfeldern neue Gasfelder erschlossen werden. Eines dieser Felder will ein deutsches Unternehmen nutzen: die Hamburger Johannes Schütze AG.
Der Hamburger Unternehmer Frank Otto hat als Vorstand der Schütze Vertriebs AG das Gasgeschäft initiiert. Zwölf Jahre lang sollen deutsche Stadtwerke mit Erdgas aus Nigeria beliefert werden. Es geht um ein Handelsvolumen von fünf Milliarden Euro. Die Vertragsunterzeichnung soll unmittelbar bevorstehen, so die Schütze AG.
Unterstützung von Olaf Scholz
Otto erzählt, er habe vor einiger Zeit Bundeskanzler Olaf Scholz auf sein Vorhaben angesprochen, Gas aus Nigeria zu beziehen. Der habe das dann auf seiner Nigeria-Reise im vergangenen Herbst thematisiert. Tatsächlich verkündete Scholz 2023 eine Energiepartnerschaft mit Nigeria, bei der es um den Bezug von Gas und Wasserstoff gehe.
Das Kanzleramt teilte gegenüber Plusminus mit, die Bundesregierung unterstütze das Gasgeschäft der Schütze AG finanziell aktuell nicht. Johannes Schütze ist trotzdem zufrieden: "Wenn Herr Scholz sagt, wir fliegen nach Nigeria und suchen Gas, dann ist das auch politisch gewollt, und ich freue mich darüber."
Das grüne Verkaufsargument
Der geplante Gasimport der Schütze AG soll Menschen in den nigerianischen Fördergebieten und das Klima schützen. Genutzt werden soll dafür Begleitgas, das bei der Ölförderung mit an die Oberfläche kommt und bisher häufig einfach abgefackelt wird, so die Johannes Schütze AG. Das reduziere die Atemprobleme der Menschen in den nigerianischen Fördergebieten, sagt der nigerianische Exporteur David Ige. Er ist Manager des Unternehmens Riverside LNG, das das Gas in Nigeria organisieren wird.
Doch mit dem Erdölbegleitgas allein lasse sich keine stabile Versorgung sicherstellen, gibt Ige zu bedenken. Er rechne damit, dass sich zunächst für 30 Prozent der vereinbarten Menge Begleitgas aus der Ölförderung nutzen lasse. Später falle der Anteil dann wahrscheinlich auf 15 bis 20 Prozent. Mindestens 70 Prozent des Gases für die Schütze AG wird daher aus einem extra neu angelegten Gasförderfeld stammen.
Das sei im Sinne der Menschen vor Ort, rechtfertigt Unternehmer Otto das Gasgeschäft. Schließlich arbeite man mit Unternehmern und Investoren aus Nigeria zusammen: "Und die haben die Bedürfnisse und Belange der Bevölkerung sehr genau im Blick."
Enttäuschung und Ressourcenfluch
Der alternative Nobelpreisträger Bassey ist tief enttäuscht darüber, dass deutsche Investoren neue Gasprojekte in Nigeria anstoßen. Es sei nicht im Interesse afrikanischer Länder, wenn sich die Erde immer weiter aufheize. Schon jetzt sei das Leben vieler Menschen durch anhaltende Dürren und Starkregenereignisse bedroht.
Franziska Holz vom deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hat sich in den vergangenen Monaten intensiv mit den Bedingungen für die Öl- und Gasförderung in Nigeria beschäftigt. Auch sie sieht das Gasgeschäft der Schütze AG kritisch. Nigeria sei für Ökonomen ein klassisches Beispiel für den sogenannten "Ressourcenfluch".
Der Ressourcenreichtum des Landes habe zu einseitiger Abhängigkeit von Öl und Gas und zu einem geringen Lebensstandard der Bevölkerung geführt. Und das bei gleichzeitiger weitreichender Korruption und Bereicherung einiger weniger Eliten. Es sei bedauerlich, dass deutsche Importeure in einem Land mit diesen strukturellen Problemen die Situation weiter stützen. Es fehle offensichtlich auch eine strategische Begleitung durch die deutsche Bundesregierung, um strukturelle Änderungen in Nigeria auszulösen.
Trauriger Rekord
Im vergangenen Jahr war der Ausstoß von CO2 durch fossile Energieträger so hoch wie nie zuvor. In Nigeria und in Russland entweicht besonders viel Methan aus Öl- und Erdgasförderfeldern. Das zeigen Satelittenaufnahmen.
In Sibirien förderte der deutsche Konzern Wintershall Dea gemeinsam mit dem russischen Staatskonzern Gazprom Gas. Als Minderheitsanteilseigner habe man nur begrenzt auf die russische Seite einwirken können, um das Entweichen des klimaschädlichen Gases zu reduzieren, so Wintershall Deas Mutterkonzern BASF. Der Umweltbericht aus einem gemeinsamen betriebenen Förderfeld in Sibirien zeigt, dass das aus Anlageteilen entweichende Methan allein aus einem Jahr einen globalen Umweltschaden von 756 Millionen Euro verursachen wird, den heutige und zukünftige Generationen werden zahlen müssen.
Was bei der Förderung in Russland gemeinsam mit Gazprom problematisch war, könnte sich jetzt durch die Erschließung neuer Gasfelder in Nigeria wiederholen. Nigeria ist ein Land, in dem Umweltrechtsverstöße kaum geahndet werden. Das Abfackeln von Begleitgas aus der Ölförderung zum Beispiel ist seit 1984 illegal. Trotzdem brennen die Fackeln bis heute.
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